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Nelly Kostadinova

11. April 2019

Unser inneres Stadion

Das Fußballfeld war riesig und ich wusste nicht, wohin ich schauen sollte. Das Gesicht meines Vaters war mindestens einen Meter entfernt in der Höhe und die Geräuschkulisse ließ meine Stimme nicht zu ihm durch. Auf einmal hörte ich: „Goooooal!“ und streckte, wie die Leute rechts und links von mir, meine Hände nach oben. Was für ein Glück! Mein Vater tastete nach meinen Händen und griff schließlich mein Handgelenk in seiner gigantischen Freude. „Wir haben gewonnen! Wir haben gewonnen!“ schrie er zu mir gewandt und hielt mein kleines Handgelenk fest umklammert.

Siege und Niederlagen

Das war eine unserer Sonntagsaktivitäten. Das Stadion lag zwei kleine Straßen von uns entfernt und wir zählten zu dessen regelmäßigen Besuchern. Als „wir“ an diesem Sonntag gewonnen hatten, erklärte mir mein Vater, dass die Mannschaft unserer Stadt endlich besser geworden sei – eine tolle Sache. Und das war wirklich toll. Mein Vater und seine Freunde waren gut gelaunt, und ich irgendwie auch. Ich bekam einen Hahn aus Zucker und in meiner kleinen Seele schmeckte ein Sieg „unserer“ Mannschaft, von diesem Moment an, nach gebranntem Zucker. Wir – die Mannschaft und die Fans – gehörten zusammen und jeder feierte auf seine eigene Art. Bei den nächsten Ausflügen mit Papa ins Stadion habe ich dann erfahren, dass die Mannschaft der Stadt Pernik „Minjor“ hieß (und noch heißt), wie der Beruf meines Papas und der Beruf fast aller Männer in dieser Stadt. „Minjor“ bedeutet „Knappe“, und alle diese Bergleute arbeiteten unter Tage. Und am Sonntag waren sie im Stadion. Eine starke Verbindung, eine verschworene Gemeinschaft. Und mittendrin ich – ein Mädchen, das im Stadion das Gewinnen und Verlieren kennen und zu schätzen gelernt hat.

Das alles ist längst Geschichte, aber das Stadion steckt noch in mir. Ich rufe es immer ab, wenn ich viel Platz für meine Gedanken brauche. Meist sind das die Momente, in welchen ich vor der Umsetzung einer Innovation stehe. Die Idee liebe ich, die Zahlen sind ausdrucksvoll, aber die Umsetzung muss auch von der Mannschaft verstanden, verinnerlicht und schließlich vollzogen werden. Wer kennt die Gefahr menschlichen Versagens nicht?! Die Prozesse sollen ineinandergreifen, die Mitarbeiter sollen das Neue mögen und nicht abweisen. Die Motivation aller ist bei diesem entscheidenden Schritt wichtig, und ich will eins: Erfolg.

Erfolg – ja, aber die Umsetzung erfolgt durch die Mitarbeiter. Menschen, die jeder für sich einen unterschiedlichen Background haben. Wie soll ich mein Tempo dem Tempo meiner Mitarbeiter anpassen; wie soll ich alles möglichst schnell und präzise einführen? Wie soll ich es ihnen erklären, ohne sie unter Druck zu setzen?

Mit der richtigen Strategie zum Erfolg

In solchen Momenten erscheint mein inneres Stadion hilfreich. Ich zeichne die Tore auf und ziehe die Linien, die Ecken und markiere Anstoß- und Elfmeterpunkte. Dann positioniere ich die Spieler meiner Mannschaft. Diese Spieler benenne ich namentlich, schließlich sind das die Menschen in meiner Firma. Wie soll ich sie jetzt direkt vor dem Spiel ansprechen, damit sie meinen Plan kraftvoll umsetzen und die Fans begeistern? Natürlich wie ein Trainer, das ist meine Position. Ich beginne zu sprechen, wie ein Trainer auf dem Spielfeld: deutlich und kompetent, doch auch voller Wärme und Vertrauen.
Anpfiff – und das Spiel beginnt. In meinem Kopf. Ich beobachte jede Bewegung, bin voll dabei. Manchmal muss ich den ein oder anderen Spieler auswechseln. Und das tut dem Team gut. Neue Energie, frische Kraft und Impulse fließen ein und stärken die Gruppendynamik. Und irgendwann höre ich die Stimme meines Vaters: „Goal! Wir haben gewonnen!“.

Und wenn nicht?

Was passiert, wenn unserer Kunde eine Reklamation geltend macht und wir feststellen müssen: „Wir haben einen Fehler gemacht. Das ist unser Schuld.“ Der Kunde verliert Zeit, ihm entstehen weitere Kosten, er ist verärgert. In meinem inneren Stadion sind die Kunden meine Fans. Die Fans, die wir lieben, und die uns lieben. Was wäre das Stadion ohne die Fans! Das schlimmste, wenn wir kein gutes Spiel machen, ist das Leiden der Fans. Ein Großteil des Stadions ist traurig, manche aufgebracht und gehen schimpfend nach Hause. Genauso verhält es sich mit uns betreffenden Reklamationen. Die Kunden sind enttäuscht und uns tut es weh, diese Enttäuschung zu sehen.
Da hilft nur ein ehrlicher Umgang mit diesen Kunden. Den Fehler eingestehen, nachbessern, sich entschuldigen. Bei nächsten Spiel sind die echten Fans wieder bei uns im Stadion. Sie lassen uns nicht fallen, bestehen aber auch weiter darauf, dass wir gut spielen. Und wir tun es. Für mich ist das innere Stadion der Ort, zu dem ich gern zurückkehre, auch wenn ich verloren habe. Dort richte ich mich neu auf, um die Stimme meines Vaters zu hören: „Wir haben gewonnen!“

Nelly Kostadinova

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