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Marcus Disselkamp

10. Februar 2020

Wer braucht noch Intermediäre – Effekt der Disintermediation

Die Wertschöpfungsketten vieler Branchen und Wirtschaftszweige kennen üblicherweise Intermediäre als Bindeglieder zwischen Anbietern (Lieferanten, Dienstleistern, Produzenten) und Kunden (Käufer, Nutzer, Konsumenten). Interessierte Immobilienkäufer suchen über Makler als Intermediäre potentielle Häuser oder Wohnungen, Baustoffhändler bringen Handwerker und Hersteller von Baumaterialien zusammen und Modehändler verbinden Konsumenten mit den Herstellern von Textilien. Stromhändler verkaufen uns den Strom, den oft andere produzieren und noch einmal andere zu uns transportieren. Selbst Banken fungieren in Wahrheit als Intermediäre bei der Vermittlung von Krediten oder Produkten zur Vermögensanlage, Buchhandlungen bieten uns den Zugang zu Publikationen und Universitäten sind Intermediäre zwischen Studenten und Professoren.
All diese Vermittler reduzieren üblicherweise Transaktionskosten der ansonsten unkoordinierten Suche nach Tauschpartnern für verschiedene materielle und immaterielle Güter sowie Dienstleistungen. Zu diesen Kosten zählen die Aufwendungen für die Suche, Auswahl, Verhandlung, Transport, Kommissionierung, Vertragsabwicklung und Überwachung.

Nun aber erleben wir im Rahmen der Digitalen Transformation ein Verschwinden bisheriger Zwischenhändler und Intermediäre. Wir nennen dieses Phänomen die „Disintermediation“. So können Lieferanten – mittels digitaler, globaler Vernetzung und den immer kompatibleren IT Systemen – ihre Produkte viel leichter direkt an ihre Endkunden und Nutzer unter Ausschaltung des bisherigen Zwischenhandels verkaufen. Nehmen wir beispielsweise die Modeindustrie – und hier die beiden deutschen Sportmodehersteller: Puma erzielte in 2018 einen Online Umsatz mit Endkunden von 650 Mio. Euro (Gesamtumsatz 4,65 Mrd. Euro) und Adidas ca. 2 Mrd. Euro bei einem Gesamtumsatz von fast 22 Mrd. Euro. Wie wird das erst, wenn wir zukünftig per 3D Scanner passgenaue, digitale Körpermaße besitzen, und diese online mit den Angeboten der Modedesigner abklären können? Weitere prägnante Beispiele für von der Disintermediation betroffene Branchen sind die Musikindustrie (Wegfall der Plattenläden), die Reiseindustrie (Verschwinden vieler Reisebüros) oder die Versicherungsindustrie (Erosion der Makler). Manche dieser Branchen erleben das Aufkommen von digitalen Plattformen mit ihren Algorithmen als neue Intermediäre (z.B. YouTube oder Check24), doch in vielen Fällen verbinden sich die Produzenten auch direkt mit den Endkunden (z.B. Online Angebote der Hotels, Airlines oder Direktversicherungen).

Die digitale Disintermediation mag selbst vor Notaren als klassische Intermediäre zwischen den Käufern und Verkäufern von Immobilien, zum Grundbuchamt sowie als Verwalter von Treuhandkonten nicht Halt machen. Im Schweizer Kanton Zug vollzog sich bereits im Frühjahr 2019 die erste Immobilientransaktion über eine Ethereum-Blockchain mit einem Volumen von umgerechnet 3 Mio. Schweizer Franken. Überhaupt wird die Blockchain Technologie, als das modernste Transaktionsprotokoll zum sicheren Senden, Speichern, Empfangen und Verarbeiten von digitalen Daten, den Effekt der Disintermediation noch weiter verstärken. Den Start erleben wir heute schon mit den sogenannten Kryptowährungen. Auch wenn sie trotz all ihres Hypes in den Medien und ihren Wertschwankungen noch in einer Probephase sind: Banken, Finanzintermediäre oder Finanzmakler sind schlichtweg nicht mehr notwendig, um digitale Werte von einem Nutzer zu einem anderen zu übertragen. In letzter Instanz ersetzt die Blockchain das Bankkonto und kann im Prinzip alle Prozesse des Zahlungsverkehrs abbilden. Welchen Effekt hat die Blockchain basierte Disintermediation dann sogar auf all die anderen Berufsgruppen, wie Rechtsanwälte (als Zwischenhändler von Vertragsentwürfen) oder Gerichtsvollzieher (als Zusteller und Vollstrecker von Urteilen und anderen Vollstreckungstiteln)?

Und noch eine Blockchain basierte Errungenschaft wirkt auf den Megatrend der Disintermediation: Smart Contracts. Smart Contracts bilden die Logik vertraglicher Regelungen, wie Service-Level-Agreements oder digitale Kaufverträge, technisch ab und überprüfen, ob bestimmte vertraglich definierte Anforderungen eingetreten sind, um dann ohne menschlichen Einfluss Handlungen auszuführen. Beispielsweise erhöht sich der Preis für ein Carsharing Cabrio-Angebot automatisch bei sonnigem Wetter oder es wird nach jeweils 3000 Kilometer Laufleistung die Leasing-Rate eines PKW abgebucht. Dank der Blockchain-Technologie werden Smart Contracts nun einfacher umsetzbar und sicherer. Und was ist die Konsequenz? Es kommt zu einer Disintermediation von Sachbearbeitern! Wozu benötigen wir noch Mitarbeiter in der Rechnungsprüfung, im Bestellwesen, der Wareneingangsprüfung, im Vertragswesen etc., wenn mittels Smart Contracts die Automatisierung von Standardprozessen weiter voranschreitet? Denn diese Mitarbeiter sind in Wahrheit auch nur Intermediäre, die durch Algorithmen ausgetauscht werden können.

Marcus Disselkamp

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