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Jörg-Gantert

Jörg Ganter

11. August 2017

Karate im Kopf

Freitag, 11.08.2017

Als Zehnjähriger wurde Jörg Gantert auf dem Schulweg zusammengeschlagen. Er schwor sich, nie wieder wehrlos zu sein – besser noch: unbesiegbar. Tausende Trainingsstunden später war er am Ziel. 1997 erkämpfte er sich den Weltmeistertitel in Karate. Heute ist Jörg Gantert Coach, Redner und Autor. Kürzlich war er als Impulsgeber beim Grosse-Hornke-Teamtag zu Gast. In unserem Interview erklärt er, wie Projektmanager hohem Druck besser standhalten können. 

Frage: Jörg, wie hilft dir deine Erfahrung als Profisportler, um mit schwierigen Situationen im Beruf zurechtzukommen?

Jörg Gantert: Für einen Karatesportler ist die positive Einstellung entscheidend. Bin ich voller Selbstvertrauen oder habe ich Angst, dass ich mich verletze? Auch bei der Arbeit sollten wir auf unsere Gedanken, auf die Bilder und Sprachmuster in unseren Köpfen achten. Denn unser Gehirn reagiert auf jedes Wort oder Bild mit einem Gefühl. Begriffe wie „schwierig“ oder „scheitern“ existieren nicht in meinem Kopf. Stattdessen konzentriere ich mich auf kraftvolle, aufbauende Gedanken. Diese positive Denkweise stellt sich nicht auf Knopfdruck ein. Dafür ist über eine gewisse Zeit ein mentales Training notwendig.

Wie sieht so ein Training aus?

Sportler versetzen sich in eine positive Stimmung, indem sie Erfolge aus ihrer Vergangenheit in Gedanken erneut durchleben. Das lässt sich auch im Beruf sehr gut anwenden. Es kommt darauf an, sich das Erfolgserlebnis möglichst bildlich in Erinnerung zu rufen, etwa die Danksagung eines Kunden oder ein Lob vom Vorgesetzten. Dieses Kopfkino verbindet man mit einer Körperbewegung. Sportler klopfen sich zum Beispiel mit einer Hand aufs Bein. Mit dieser Bewegung können sie den positiven Gefühlszustand nach Belieben abrufen und sich so motivieren. Um sich entsprechend zu konditionieren, dauert es ungefähr einen Monat. Dreimal täglich zwei bis fünf Minuten konzentriertes Mentaltraining genügen meistens, damit das Gehirn die einstudierte Bewegung mit positiven Empfindungen verknüpft.

Höher, schneller, weiter – Unternehmen und Sportler streben stets nach dem nächsten, noch größeren Erfolg. Wie schafft man es, sich auf hohem Niveau weiter zu steigern?

Jeder hat die Möglichkeit, immer ein bisschen mehr zu tun als die Konkurrenz. Während meiner Zeit als Leistungssportler habe ich Trainingseinheiten in meinen Alltag eingebaut. Im Haus meiner Eltern habe ich die Lichtschalter nur noch mit Fußtritten an- und ausgeknipst. Ich bin mit dem Fahrrad freihändig zum Training gefahren und habe nebenbei Schlagübungen gemacht. Aufs Jahr gerechnet bin ich so auf etwa 48.000 zusätzliche Schläge gekommen, die ich meinen Konkurrenten voraushatte. Auch im Projektgeschäft kann man solche Extrameilen gehen, man muss nur kreativ sein. Wichtig ist, sich täglich etwas vorzunehmen, und sei es auch nur eine Kleinigkeit.

Dafür ist eine große Disziplin nötig. Wo soll die im Alltag immer herkommen?

Wer über einen langen Zeitraum jeden Tag Höchstleistung erbringen muss, braucht eine starke intrinsische Motivation, einen inneren Antrieb. Meine sportliche Motivation ist aus einer negativen Erfahrung entstanden. Im Alter von zehn Jahren wurde ich von zwei Jugendlichen auf dem Heimweg von der Schule überfallen. Sie schubsten mich vom Rad, zerrten mich in ein Gebüsch und begannen auf mich einzuschlagen. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließen sie von mir ab und rannten weg. Als ich an jenem Tag blutend und voller Schmerzen in diesem Gebüsch lag, entstand in mir eine Vision: Ich wollte so gut Karate können, dass mir so etwas nie wieder passiert. Es war das sogenannte Schmerz-Freude Prinzip, das mich antrieb, es in meinem Sport ganz an die Spitze zu schaffen. Wer seine Vision, seinen Sinn gefunden hat, wird tagein, tagaus intrinsisch motiviert sein.

Wie können Führungskräfte den inneren Antrieb ihrer Mitarbeiter stärken?

Mit Druck oder Belohnung von außen kommt man auf Dauer nicht weit. Meines Erachtens ist es sehr wichtig, das menschliche Grundbedürfnis nach Anerkennung zu erfüllen. In unserer Leistungsgesellschaft wachsen wir damit auf, dass wir für gute Arbeit Wertschätzung erfahren. Die Realität in Projekten sieht leider oft anders aus – die Mitarbeiter erwarten Anerkennung, erhalten sie aber eher selten. Wenn die Führungskraft dies erkennt und ihr Verhalten ändert, kann das sehr viel bewegen. Ebenso wichtig wie Wertschätzung ist Vertrauen. Mitarbeiter, die eigenverantwortlich und ohne ständige Kontrollen arbeiten können, sind engagierter. Das bedeutet nicht, dass ich mich als Chef nicht mehr um das kümmere, was operativ geschieht. Ich gehe regelmäßig auf die Kollegen zu und biete ihnen meinen Rat und meine Unterstützung an. So vermittle ich den Mitarbeitern gleichzeitig ein Gefühl der Zugehörigkeit.

Du hast längere Zeit in Japan gelebt, um bei den besten Karatelehrern zu trainieren. Können auch europäische Firmen etwas von der japanischen Arbeitskultur lernen?

Eher umgekehrt, würde ich sagen. In Japan ist der Leistungsgedanke in Betrieben um ein Vielfaches höher als in Deutschland. Die meisten japanischen Arbeitnehmer leben für ihre Firma. Sie haben maximal eine Woche Urlaub im Jahr, verbringen ganze Nächte im Büro. Das geht zulasten der Gesundheit und damit auch zulasten der Wirtschaft. Japan könnte noch viel produktiver sein, wenn die Unternehmen ihren Mitarbeitern mehr Erholung zugestehen würden. In Deutschland hat in den letzten 15 Jahren ein Wertewandel stattgefunden: Work-Life-Balance, Stress- und Selbstmanagement sind heute wichtige Themen in den Unternehmen. Das ist aus meiner Sicht eine gute Entwicklung. Es muss eine ausgeglichene Balance zwischen Leistung und Erholung geben. Nur dann ist gesundes Wachstum möglich.

Über Jörg Gantert

Parallel zu seiner Laufbahn als Sportler machte Jörg Gantert eine Ausbildung zum Bankkaufmann und absolvierte ein Studium in Betriebswirtschaftslehre in Münster und Fresno, Kalifornien. Als er 1997 in Istanbul Karateweltmeister wurde, bereitete er schon seine zweite Karriere vor. Er stieg bei einem großen Industrieunternehmen als Personalentwickler ein und gründete parallel dazu seine eigene Karateschule. Seit dem Jahr 2000 ist Jörg Gantert als Coach, professioneller Redner und Autor tätig. Seine Hauptthemen sind Stressbewältigung, Selbstmanagement und Motivation.

 

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